"100 Prozent Verkaufen" ist weder Podcast noch Hangout, sondern ein ganz normales Interview. Heute spricht Netzstratege Stephan Sperling über Ladengeschäfte, die es nicht gibt, die Bequemlichkeit der Kunden, die Zukunft des Ladenpersonals und wie man als stationärer Händler auch ohne Onlineshop im Netz erfolgreich sein kann.
Auslöser für dieses Interview mit Dir, Stephan, sind Deine Thesen zum lokalen Einzelhandel 2015, die Du im November im Netzstrategen-Blog veröffentlicht hast. In der Einleitung heißt es, dass Ihr Euch "täglich mit der Zukunft des lokalen Einzelhandels in der vernetzten Welt" beschäftigt. Wie sieht die gegenwärtige Entwicklung aus: bei stagnierenden bis sinkenden Umsätzen im stationären Einzelhandel und Steigerungen im Online-Geschäft?
Aus unserer Sicht wird die Schere immer weiter auseinandergehen. Es gibt ganz viele stationäre Einzelhändler, die in Zukunft ganz sicher verlieren werden. Vor allem deswegen, weil sie das Internet nicht als Chance begreifen, sondern als Problem und als Schuldigen sehen. Mit dieser Einstellung beziehen sie das Internet überhaupt nicht in ihre Überlegungen ein, wie sie Kunden jetzt und künftig zufriedenstellen können.
Folglich können sie von der Entwicklung nicht profitieren. Im Gegenteil: Sie verlieren Kunden, geben Kundensegmente auf und verpassen Chancen, die sie relativ einfach nutzen könnten.
Auf der anderen Seite gibt es Händler, die verstanden haben, was da draußen passiert, was die Nutzer tun und wie potenzielle Kunden heute ticken. Diese Händler nutzen die Entwicklung bereits sehr erfolgreich für sich. Es lässt sich also kein einheitliches Bild zeichnen. Es gibt Gewinner und Verlierer.
Sind diese Chancen und ist das Maß der Chancenverwertung branchenabhängig oder hat das eher etwas mit der Einstellung und dem Verständnis des Unternehmers bzw. Einzelhändlers zu tun?
Es ist nicht grundsätzlich branchenabhängig. Natürlich zieht eine sehr innovative Branche auch den einen oder anderen mit, der sonst diesen Weg nicht so engagiert gegangen wäre. Nach unserer Erfahrung hängt es stark von der Persönlichkeit des Einzelhändlers und Unternehmers ab: Ob er bereit ist, sich auf das Thema einzulassen. Ob er bereit ist, sich zu öffnen. Ob er selbst im Netz unterwegs ist. Das ist deutlich ausschlaggebender als die Branche.
Es gibt natürlich Branchen, die einen größeren Druck spüren als andere. Wir haben einige Kunden aus dem Bereich Möbel, die in den letzten Jahren noch ihre Ruhe hatten. Wenn ich mir eine neue Couch kaufen will, gehe ich in den Laden, setze mich mal drauf, probiere aus und vergleiche. Ich lasse sie mir liefern und habe einen Ansprechpartner vor Ort. Es gibt also durchaus Branchen, die durch die ihre Produkte noch geschützt vor dem Internet waren ‒ wenn man es so negativ formulieren will. Die mehr Kundschaft im Geschäft hatten, weil es einfacher und stressfreier war als im Online-Versand.
"… innovationsbereite Unternehmer brechen auch dort zunehmend die starren Strukturen auf und suchen aktiv nach Chancen im Netz."
Du hast es anfangs angedeutet: Es gibt Einzelhändler, die sehen das Netz und den Onlinehandel nicht nur als Problem, sondern als Schuldigen. Jetzt bleibt in dieser Betrachtung ein maßgeblich Beteiligter völlig außen vor: der Kunde. Inwieweit hat sich das Verhalten des Kunden verändert? Ist der Kunde nicht die eigentliche Triebkraft dieser Veränderung?
Der Kunde will es eben möglichst bequem haben. Ich glaube, das ist die Formel, auf die man es am Ende runterbrechen kann. Den meisten Kunden ist es völlig egal, ob sie ein Produkt im Laden um die Ecke oder online kaufen. Sie wollen einfach den geringsten Aufwand haben. Das war ja auch ein Punkt, den ich meinen Thesen beschrieben habe. Ich weiß, dass ich den Fernseher, den ich haben will, bei Amazon bekomme. Wenn ich aber online recherchieren kann, dass mein Elektrohändler um die Ecke den auch vorrätig hat, bin ich doch eher bereit, das Gerät dort zu holen. Ich habe es dann nämlich eine halbe Stunde später im Wohnzimmer stehen.
"Den meisten Kunden ist es völlig egal, ob sie ein Produkt im Laden um die Ecke oder online kaufen."
Also zunehmende Bequemlichkeit - wie steht es um die Risikominimierung aufseiten des Kunden?
Eine echte Risikominimierung hätte ich im Geschäft um die Ecke. Da kann ich hingehen, wenn ich ein Problem habe, wenn mit dem Produkt oder der Leistung etwas nicht in Ordnung ist. Da kann ich jemandem in die Augen schauen und sagen: "Sorry, aber ich bin damit nicht zufrieden, das ist defekt, das geht nicht." Während ich online je nach Händler viel größere Probleme habe, meine Reklamation anzubringen.
Große Anbieter wie zum Beispiel Amazon sind da sehr kulant und legen die Messlatte ziemlich hoch. Bei vielen Händlern wäre ich jedoch in Sachen Risiko aus den genannten Gründen beim lokalen Händler besser aufgehoben. Natürlich hängt auch das wieder mit der Art der Produkte zusammen. Bei einem Buch ist der persönliche Ansprechpartner nach dem Kauf deutlich weniger relevant als beispielsweise bei technischen oder elektronischen Produkten.
Gerade die Vorweihnachtszeit ist für den stationären Einzelhandel eine Nagelprobe und die Chance auf ordentliche Umsätze. Händler nutzen die Gelegenheit, um mit verklebten Schaufenstern auf die wegen des Online-Handels drohende Verödung der Innenstädte aufmerksam zu machen. Kundenaktionen nach dem Motto "Geschenke nicht online kaufen, sondern lokal" verbreiteten sich über die sozialen Netzwerke. Können solche Aktionen weiterhelfen?
"Wenn es einen Händler bei Google nicht gibt und er mir auf seiner Website nicht sagt, welche Produkte er im Laden stehen hat, hat er ein Problem."
Die Kunden kaufen dann nicht deswegen online, um jemandem zu schaden. Sie tun es aus purer Bequemlichkeit. Dass sie damit jemandem schaden, nehmen sie vielleicht bewusst oder unbewusst in Kauf. Bevor der Händler also seine Schaufenster zuklebt, sollte er diese Zeit besser nutzen, um seine Produkte online zu stellen. Dem Kunden online zeigen, was sich hinter seinen Schaufenstern verbirgt. Das wäre meiner Meinung nach die sinnvoller investierte Zeit gewesen.Nehmen wir an, ein Einzelhändler, der bisher online nicht aktiv war, folgt Deiner Empfehlung. Er will das Online-Geschäft für sich erschließen und sich bietende Chancen nutzen. Was sollte er tun? Wie sollte er vorgehen?
Wir empfehlen ein stufenweises Vorgehen. Die erste Stufe, die ich jedem empfehle, führt über Google My Business. Solch eine Seite hat meist schon jeder Einzelhändler, weil Google diese Seiten aktiv generiert und anlegt. Diesen Eintrag zu übernehmen und zu pflegen ist für mich ein ganz wichtiger Schritt: aktuelle Öffnungszeiten, Branche, Sortiment. Wenn ich als potenzieller Kunde mit meinem Smartphone jetzt nach einem bestimmten Produkt suche, hat der Einzelhändler erst einmal die Chance, gefunden zu werden. Und ich brauche nicht einmal die Website des Händlers zu besuchen, weil mir Google gleich die für mich wesentlichen Informationen liefert: dass es den Händler gibt, wo er ist, ob und wann er geöffnet hat. Das ist das Minimum an Informationen, um einen Händler überhaupt wahrzunehmen.
"Wir erleben es immer noch, dass Informationen wie Öffnungszeiten unter dem Menüpunkt Impressum zu finden sind. Der Nutzer will aber nicht suchen müssen, um grundlegende Informationen zu bekommen."
Aber die muss ich ihm auch entsprechend präsentieren. Ich muss mir als Händler also auch mal die Nutzerbrille aufsetzen und mich fragen: Stehen die relevanten Dinge auf meiner Website? Also: Wo bin ich zu finden? Wo kann man parken? Was ist mein Sortiment? Wann habe ich geöffnet? Wie bin ich erreichbar? Alle Basisinformationen, die aber bitte nicht irgendwo versteckt, sondern übersichtlich und gut auffindbar.Diese ersten beiden Stufen sind in kürzester Zeit machbar. Die dritte Stufe wird dann wirklich arbeitsintensiv: Möglichst alle Produkte, die ich im Laden stehen habe, auch auf der Website zu zeigen. Das muss noch nicht zwingend ein Onlineshop sein. Der Schritt liegt zwar nahe, der Aufwand eines Onlineshops ist aber nicht zu unterschätzen: rechtliche Themen, Backend, Warenwirtschaft, Logistik. Dieser Aufwand überfordert die meisten Händler im ersten Schritt. Schon die reine Präsentation hilft, dem Kunden zu sagen: "Das sind meine Produkte, die habe ich in meinem Geschäft, die habe ich garantiert im Regal stehen. Du wirst nicht enttäuscht sein, wenn Du kommst."
Da hätten wir dann auch die vorhin bereits erwähnte Risikominimierung auf einer anderen Ebene.
Richtig. Seit Mitte letzten Jahres besteht in Deutschland die Möglichkeit, lokale Produktanzeigen in Google zu schalten. Also ein konkretes Produkt wie eine Waschmaschine mit einem konkreten Preis. Früher führte der Link zwingend zu einem Onlineshop. Heute kann an dieser Stelle auch der Elektrofachmarkt in 800 Meter Entfernung von meinem Wohnort stehen, der genau diese Waschmaschine vorrätig hat.
"Wenn es der lokale Händler richtig macht, kann er immer noch schneller sein, selbst als Amazon Prime."
Und, auch ein wichtiger Punkt: schneller. Wenn es der lokale Händler richtig macht, kann er immer noch schneller sein, selbst als Amazon Prime. Da muss ich auch bis zum nächsten Morgen oder nächsten Tag warten. Beim lokalen Händler kann ich es eine halbe Stunde später haben.
Wie erfolgreich ist diese Strategie, welche Erfahrungen habt Ihr gemacht?
Wir haben diese Vorgehensweise schon mit verschiedenen Kunden umgesetzt. Gerade aktuell entwickeln wir mit einem Kunden einen Onlineshop, mit dem wir genau den beschriebenen Weg gegangen sind. Vor vier Jahren haben wir die Website erstellt, vor zwei Jahren haben wir angefangen, die Produkte online zu stellen. Jetzt der Onlineshop. Es war genau der richtige Weg: Der Kunde fühlte sich nicht überfordert und wir haben ihn nicht überfordert. Der Kunde ist in die Aufgabe rein- und mitgewachsen. Der Erfolg ist gigantisch gerade, wenn man die Produkte zeigt.
Das unterscheidet die Produktpräsentation im Internet von den klassischen Medien. Die Zeitungsanzeige liefert die Information unabhängig vom Bedarf und Kaufinteresse. Im Internet, speziell bei den Produktpräsentationen, haben Nutzer Bedarf und suchen genau nach diesem Angebot. Sie suchen nach einer Waschmaschine oder einem Fernseher und landen sehr schnell bei einer bestimmten Marke oder bei einem konkreten Produkt. Aber genau das ist der Punkt, an dem derzeit viele lokale Händler in den Suchergebnissen nicht mehr existieren.
Wir können das jetzt noch schlecht in Umsatzzahlen fassen. Was wir aber sehen: Je mehr Produkte online zu sehen sind, um so deutlicher steigen die Zugriffszahlen. Teilweise um mehrere Hundert Prozent pro Jahr. Aus Händlersicht gut investiertes Geld, weil er online seine Produkte genau dort platziert, wo im lokalen Umfeld konkreter Bedarf besteht. Bei Nutzern, die genau diese Produkte suchen. Diesen Bedarf will der Händler erst einmal haben, ohne Schaltkosten, also über die eigene Website mit den eigenen Produkten. Und das funktioniert. Definitiv.
Indem sich also der Händler dem Nutzer anpasst, der eben zunehmend nicht mehr sagt: Ich will mir einen neuen Fernseher kaufen, gehe also mal ins Geschäft und schaue, was da so gibt. Sondern weil er im günstigsten Fall schon genau weiß, was er haben will.
"… oft denken wir über unsere Wünsche ja auch nach, wenn ohnehin kein Laden offen hat."
So machen wir das alle: Wir lesen Rezensionen und Bewertungen, recherchieren und irgendwann haben wir ein konkretes Modell im Kopf. Dann suchen wir, fangen an zu googlen. Wo bekomme ich den besten Preis, die schnellste Lieferung. Und genau an diesem Punkt finden die meisten lokalen Händler in der Online-Recherche nicht mehr statt und kommen dann in den Köpfen auch nicht mehr vor. Die Option ist keine Option mehr, sondern aus Sicht des Händlers eine vergebene Chance.Viele Händler, so scheint es, schrecken vor dem finanziellen Aufwand zurück, der mit einem Onlineshop einhergeht. Bei der von Dir empfohlenen dreistufigen Vorgehensweise scheint der mir durchaus überschaubar, oder?
Sehr überschau- und vor allem gut kalkulierbar. Google My Business liefert Statistiken, die Zugriffe auf die eigene Website sollten auch analysiert werden. Das muss jeden Unternehmer interessieren, damit muss sich jeder Unternehmer aktiv auseinandersetzen. Wenn dann monatlich ein paar Hundert oder tausend Besucher auf die Website kommen, kann man schauen, welche Seiten stark genutzt werden, welche Informationen wichtig sind. Und man erkennt, wo der größte Hebel ist, um diesen Schatz, der da auf der Internetseite vorhanden ist, weiter zu heben und näher an den Laden zu bringen.
Wichtig ist, und das ist ohne große Investitionen möglich, dass man misst, was auf der Seite passiert. Und dass man jemanden hat, der diese Zahlen richtig interpretiert, um die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.
Das klingt alles sehr technisch und automatisch. Brauche ich als Geschäftsinhaber eines stationären Ladengeschäfts überhaupt noch Verkäufer in dem Sinn, wie es sie bisher gibt? Welche Rolle werden diese Verkäufer in Zukunft spielen?
Aus unserer Erfahrung werden Teile des Verkaufsprozesses ins Internet vorverlagert. Einige unserer Kunden erstellen richtig aufwendige Produktbeschreibungen, machen Videos zu den Produkten. Die Verkäufer im Geschäft müssen sich umstellen, weil der Kunde im Geschäft weniger eine Beratung von Anfang an benötigt. Er hat zunehmend schon ein sehr klares Bild von dem, was er möchte. Und er weiß, warum er genau das will. Der Verkäufer kann den Abschluss also sehr viel schneller herbeiführen als bisher.
"Der Verkäufer muss seine potenziellen Kunden bereits im Internet abholen."
Wenn also die Verkäufer dazu in der Lage sind, müssen sie Inhalte für die Website produzieren. Also all das, was sie bislang dem Kunden im Gespräch vermittelten, gehört zur Produktbeschreibung auf die eigene Website. Dann habe ich nämliche den sogenannten "Unique Content", einzigartigen Inhalt, den sonst keiner hat. Das registriert Google und schickt mir mehr Besucher, für die ich nichts bezahlen muss. Aber ich muss eben in die Inhalte investieren. Der Verkäufer muss seine potenziellen Kunden bereits im Internet abholen. Wir kennen Geschäfte mit zwei bis drei Vollzeitstellen, die ausschließlich Online-Inhalte erstellen.Also doch nur etwas für größere Geschäfte? Der Einzelhändler mit zwei, vielleicht drei Angestellten wird sich das kaum leisten können …
Das ist dann eher eine Frage der Geschwindigkeit. Wenn ich die Ressourcen habe, komme ich schneller vom Fleck. Wenn ich dafür Leute ab- oder einstellen kann, habe ich in kürzester Zeit viel Online-Inhalte. Wenn nicht, muss ich meine freie Zeit nutzen, um Inhalte zu produzieren: Produkte fotografieren, Texte zu meinen Produkten schreiben. Das kann Zeit sein, die ich ohnehin im Geschäft verbringe, in der aber kein Kunde da ist.
Für kleinere Händler also eher eine Frage des Zeitmanagements und der Priorisierung. Was bringt mir wie viel? Da ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Auch deswegen, weil man die Ergebnisse erst mittelfristig sieht. Es dauert ein paar Monate, bis ich so viele Produkte online und Inhalte erstellt habe, bis Google das honoriert und mir mehr Benutzer schickt. Vorher arbeitet man gefühlt in ein Vakuum hinein.
Wer das System nicht versteht und nicht akzeptiert, dass Ergebnisse auch Zeit brauchen, wird sich vermutlich anders entscheiden. Vielleicht eine Anzeige in der Hoffnung schalten, dass am nächsten Tag ein paar Leute mehr im Laden stehen. Das Geld wäre möglicherweise in der Erstellung von individuellem Inhalt nachhaltiger angelegt.
Wird mittel- bis langfristig für Einzelhändler überhaupt ein Weg daran vorbeiführen, sich damit auseinanderzusetzen?
Ich glaube, wer es nicht tut, wird untergehen. Da bin ich mir ziemlich sicher. Wer nicht investiert, sei es ausschließlich Zeit und nicht Geld, der braucht schon eine sehr, sehr treue Stammkundschaft, die den Laden kennt und immer wieder hingeht. Derjenige wird allerdings online immer weniger stattfinden. Oder man ein so einzigartiges Produkt, dass es von selbst funktioniert.
"Ich will nicht feststellen, dass ich online etwas anderes vorgegaukelt bekomme, als ich dann im Laden erlebe."
Jetzt gibt es da noch andere Modelle als das ausschließlich individuelle Engagement von Einzelhändlern. Ich denke da zum Beispiel an das Projekt Online City Wuppertal, das verschiedene Aktivitäten bündelt. Kann das ein geeignetes Modell für die Zukunft sein?
Ja, ich finde gerade das Modell von Wuppertal sehr spannend und interessant, weil es durch den Zusammenschluss der Händler ein paar Probleme löst, die jeder allein für sich gar nicht lösen könnte. Was mir besonders gut gefallen hat, sind zum Beispiel diese zentralen Pick-up-Plätze, wo ich meine Bestellungen, die ich tagsüber bei verschiedenen Händlern aufgegeben habe, auf dem Heimweg an einem Ort abholen kann. Hat aber trotzdem den Haken, dass ich wissen muss, welche Händler es gibt und was die haben. An dieser Basisarbeit komme ich als Händler also auf keinen Fall vorbei.
Wenn sich die Händler einer Region dann aber zusammentun und die Innenstadt gemeinsam stärken, ist das eine Riesenchance. Das ist ein lokales Amazon-Modell: Ich kann mir aus drei verschiedenen Läden meine Sachen zusammenstellen, die ich heute Abend kochen will. Wenn die Läden schon zu haben, kann ich meine Einkaufstüte an einem Punkt abholen, bezahlen und die Sache ist erledigt. Wenn das klappt, hat es gute Chancen, sich durchzusetzen und Erfolgsmodell zu werden.
Ich bin gespannt, wie sich das Modell entwickeln wird.
Ja. Und dieser Versuch ist allemal sinnvoller, als auf die Tränendrüse zu drücken und Schaufenster zuzukleben. Es ist konstruktiv und innovativ. Und es kann funktionieren. In den USA erlaubt mir Google ja bereits, in verschiedenen Läden online einzukaufen. Google sammelt das für mich ein und bringt's mir nach Hause. Das ist ja ein ganz ähnlich gelagertes Modell.
Aber ich finde diese Initiative der Wuppertaler Händler toll. Die sagen, was Google kann, das können wir auch, vor allem gemeinsam können wir das. Das macht das Projekt in seiner Größe auch finanziell tragbar. Allein solch eine Abholstation wäre für einzelne Händler wohl kaum rentabel zu betreiben. Sinnvoll wird sie ohnehin erst durch die Bündelung. Es ist zumindest einen Versuch wert.
Zum Abschluss, Stephan. Wer ein lokales Geschäft betreibt und online noch nichts gemacht hat, nach diesem Interview aber loslegen will. Was muss der tun ‒ konkret, kurz und knackig?
Erstens: Sich in seine Kunden versetzen und nach den Begriffen googeln, die die Kunden vermutlich verwenden, wenn Sie sein Sortiment, seine Produkte, seine Dienstleistungen haben wollen. Dann bekommt er sehr schnell einen Eindruck davon, was da gerade ohne ihn stattfindet.
Zweitens: Bei Google My Business nach dem eigenen Eintrag schauen. Diesen entsprechend pflegen und die relevanten Informationen eintragen.
Drittens: Sich jemanden suchen, der ihm eine Internetseite erstellen kann, die möglichst auch ausbaufähig und erweiterbar ist und in die Zukunft gedacht wachsen kann. Er sollte sich jemanden suchen, der sich ein bisschen mit Suchmaschinenoptimierung auskennt. Langsam erste Erfahrungen sammeln. Das Messen nicht vergessen. Zahlen interpretieren und dazulernen.
Wichtig: Sich nicht selbst überfordern, schrittweise vorgehen. Den dritten Schritt vor dem ersten zu gehen frustriert ganz schnell.
Was wäre ein überschaubarer Zeithorizont?
"Entscheidend ist, dass alle im Geschäft verstehen, wie wichtig dieser Kanal ist, ihn akzeptieren, aktiv daran und damit arbeiten."
Entscheidend ist, dass alle im Geschäft verstehen, wie wichtig dieser Kanal ist, ihn akzeptieren und dann aktiv daran und damit arbeiten. Also nichts überstürzen, sondern lieber mit Ruhe und Bedacht rangehen. Sich die Zeit dafür nehmen, das Ganze zu verstehen und kontinuierlich daran zu arbeiten.Herzlichen Dank für das ausführliche und informative Gespräch, Stephan.
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